Bundeskulturtagung 2012

Bundeskulturtagung 2012 — ein bleibendes Erlebnis

Wieder trafen sich die Delegierten und Vorsteher der Gmoin zur Kulturtagung des BdEG im Egerland-Kulturhaus in Marktredwitz. Der langjährige Bundeskulturwart Dr. Wolf-Dieter Harnperl und seine Stellvertreterin, Christina Diederichs, hatten das Programm gestaltet, das mehr als 100 Teilnehmer anlockte.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch Bundesvüarstäiha Alfred Baumgartner sprachen Zweiter Bürgermeister Hansel, Christa Hruba und Monsignore Karl Wuchterl Grußworte.

Frau Dr. Zuzana Finger, die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, wies mit dem Thema: “Bedeutung des Volkshumors für die volkskundliche Forschung” auf eine der Wurzeln der Egerländer Art, den Humor hin, der – wie wir alle schon erfahren haben – zuweilen auch sehr derb sein kann, der aber beweist, daß der Egerländer Stamm durch Humor und Musik charakterisiert werden kann.

Dr. Zuzana Finger, die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, wies auf die Vielschichtigkeit des Egerländer Humors hin.

Im Anschluß daran stellte Frau Ingrid Sauer M.A. ihre Tätigkeit als Archivarin im Hauptstaatsarchiv in München vor. Sie verwaltet dort die Sudetendeutschen Archivalien. Im Jahre 2007 wurden 1.000 Meter Akten des Sudetendeutschen Archivs vom Sudetendeutschen Haus in das Depot des Hauptstaatsarchivs nach Unterschleißheim gebracht, um nach den Prinzipien des Bayerischen Hauptstaatsarchivs inventarisiert zu werden. 400 Meter hat man inzwischen schon archiviert, darunter die Nachlässe von Lodgman von Auen, Hans Seebohm, Hans Becher, Hans Watzlik, Erich Fischer, Gertrud Träger und vielen anderen. 400 Meter Archivmaterial kamen seit 2007 neu hinzu. Außerdem verwaltet man ein Bildarchiv von 80.000 Fotografien. Diese konnte man identifizieren und zuordnen, weitere 50 Kartons mit Fotos sind nicht beschriftet. Der Vortrag informierte sehr gut, zwölf Landsleute kontaktierten anschließend Frau Ingrid Sauer wegen ihrer Sammlungen. Ich kann nur empfehlen, die Archivbestände in München abzugeben, da sie dort wie nirgendwo anders gut aufgehoben sind. Es lagert dort das “Gedächtnis der Volksgruppe”. Studenten oder Forscher wenden sich am Anfang ihrer Studien erst einmal an die großen Archive. Am 30. November 2012 waren Klaus Mohr und Ingrid Sauer in Marktredwitz und ich habe Ihnen den umfangreichen Nachlaß von Hans Kolb, dem früheren Kreisbetreuer von Luditz, den Günther Müller einst übernommen hat, neben weiteren Unterlagen von Ernst Bartl, Hans Ströher, Dr. Hermann Braun und Horst Süßner übergeben. In Weiden luden sie den umfangreichen Nachlaß von Thomas Windisch zu, den Dr. Sebastian Schott und ich vor Jahren in Stuttgart gerettet haben.

Franz Pany, der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, nahm erstmals an einer BKT teil, wie er als Marienbader gestehen mußte. Er informierte ausführlich über die Verhandlungen des Egerer Landtags und der Sudetendeutschen Stiftung mit den Vertretern der Stadt Eger/Cheb über den Egerer Stadtwald. Stand ist, daß mit den Mitteln der bisherigen Bewirtschaftung, 900.000 Euro, eine Stiftung “Egerer Stadtwald” errichtet wird, deren Erlös für kulturelle Zwecke diesseits und jenseits der Grenze zur Verfügung steht. So ist zu erwarten, daß auch ein Teil in die Kulturarbeit der vertriebenen Egerer und Egerländer fließen kann.

Das Gruppenbild der Jubilare mit der Oberbürgermeisterin Dr. Birgit Seelbinder, die sich den Gratulanten anschloss.

Der anwesende Bürgermeister von Neualbenreuth, Albert Köstler, wies darauf hin, daß Wege- und Wasserrechte im Gebiet des Egerer Stadtwaldes bisher noch nicht Verhandlungsgegenstand gewesen seien. Inzwischen einigte man sich außergerichtlich, da wir auf dem Rechtsweg wohl keine Chancen gehabt hätten. Schon die hohen Anwaltskosten hätten wir nicht schultern können. Der Vertrag wurde am 4. Dezember 2012 im Egerer Rathaus von Oberbürgermeister Pavel Vanousek und dem Tirschenreuther Landrat Wolfgang Lippert unterzeichnet. Ein Verwaltungsrat und ein Aufsichtsrat wurden gebildet.

In der Mittagspause standen Edith Kalbskopf, Leiterin des Städtischen Archivs Marktredwitz, und Volker Dittmar, Leiter des Egerlandmuseums bereit, die sehr interessante Ausstellung “Mir han Hitterer! Zur Geschichte der Glasmacher in Marktredwitz” den Interessierten zu erklären. Vor allem die Lebensläufe der Glaserer weisen auf den engen Kontakt zu den Glashütten des nördlichen Böhmerwaldes hin. Ein Beispiel: Alois Mark, geb. 1876 in Neubrünst, sein Heimatort ist Paulushütte im Kreis Tachau, er heiratet 1900 in Eger Anna Rösch, er arbeitet dann in Marktredwitz in der Glashütte, beide sterben in Marktredwitz. Auch die Geschichte und die Glas- und Spiegelproduktion in der großen Glashütte in Marktredwitz wurde mittels schöner Fotos und guten Exponaten dargestellt. Heute wird in Marktredwitz ja heftig über die künftige Verwendung der Glashütte diskutiert.

Der Nachmittag war wieder für eine Informationsfahrt reserviert. Dieses Jahr standen die Museen der Heimatkreisvereine Plan-Weseritz und Tachau auf dem Programm. Mit zwei Bussen besuchten wir das Museum der Plan-Weseritzer im Museumsquartier in Tirschenreuth und das Tachauer Heimatmuseum HEIMAT-VERTREIBUNG-INTEGRATION im Kulturzentrum Hans Bauer in Weiden in der Oberpfalz. Durch die Sammlungen führten Ingrid Leser in Tirschenreuth und Dr. Sebastian Schott wie Dr. Wolf-Dieter Hamperl in Weiden. Diese Museen sind bleibend in großen Städtischen Museen verankert und informieren vorbildlich über das Leben im früheren Egerland und seine Geschichte. Daß dies möglich ist, dafür müssen wir unseren Oberpfälzer Landsleuten sehr dankbar sein. Weitere Museen finden wir in Schwandorf (Falkenau) und Furth im Wald (Bischofteinitz).

Das nächste Ziel war die St. Anna Gedächtniskirche auf dem Pfaffenbühl bei Mähring. Dort begrüßte uns die Heimatkreisbetreuerin von Plan-Weseritz, Regine Löffler-Klemsche und erklärte uns die Geschichte der Heimatkirche mit dem Aussichtsturm. Monsignore Karl Wuchterl, Visitator emeritus, hielt wieder eine schöne Messe. In seiner Predigt ging er darauf ein, daß man hier eine Nachbildung des alten Planer Wallfahrtsbildes und einen Wallfahrtsaltar geschaffen habe, weil der Eiserne Vorhang es verhindert hatte, die alte Wallfahrt bei Plan, wo die Mutter Anna verehrt wurde, zu besuchen. So viele Frauen im Egerland trugen ihren Namen. Auf dem neben der Kirche stehenden Aussichtsturm sind aus Heimweh viele Tränen vergossen worden. Hier wurden und werden die alten Beziehungsgeflechte gepflegt, neue sind durch die Heimattreffen hinzugekommen. Diese sollen bis in den Tod existieren, bis wir eingehen in die einzigartige Geborgenheit des Himmels.

Nach diesem Gottesdienst, der wieder viel Kraft gab, fuhren wir durch die Oberpfälzer Landschaft wieder zurück nach Marktredwitz, wo am Abend zunächst zwei verdienstvolle Persönlichkeiten geehrt wurden. Im Jahr 2012 wurden am 14. Jänner Hans-Achaz Freiherr von Lindenfels und am 22. September Albert Reich 80 Jahre alt. Dr. Wolf-Dieter Hamperl wies in seinen Laudationes auf die großen Verdienste der Jubilare für die vertriebenen Egerländer hin. Geschenke und Blumen wurden überreicht.

Anschließend folgte eine von Elke Trübswetter organisierte “Trachtenschau” der Egerländer Trachten, die ja bei jedem Heimattreffen die Aufmerksamkeit so vieler auf sich ziehen. Je eine Dame stellte die Egerer Tracht, die Ascher, Karlsbader und Marienbader Tracht, die Bischofteinitzer und Chotischauer Tracht vor, zwei Männer die Tracht mit und ohne Mantel. Elke Trübswetter, die Trachtenwartin des BdEG, erklärte die Besonderheiten jeder Tracht von den Strümpfen bis zur Haube. Unterstützt wurde sie von Henny Hlawatsch und Ilse Schirmer, zwischendurch spielte das “Duo Bojaz” Egerländer Stückla. Es war dies ein sehr gelungener Abend, der zur Nachahmung anregen soll.

Das Sonntagsprogramm eröffnete Dr. Wolf-Dieter Hamperl mit einem kurzen Vortrag zur Weihnachtskrippe aus Eger. Diese konnte im Kunsthandel erworben werden, sie besteht aus 80 geschnitzten Figuren von ca. 25 cm Höhe. Sie soll die Krippe aus St. Niklas in Eger sein. Leider konnten bisher keine Fotos der Krippe aus der Vorkriegszeit gefunden werden. Diese Krippe wurde mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen erworben, sie wird im Jahr 2013 in den Bereich des Egerlandmuseums in einem eigenen Raum eingebaut werden.
Danach übernahm Christina Diederichs die Leitung der Tagung. Volker Jobst hielt einen sehr würdevollen Vortrag zum Gedenken an den 20. Todestag seines Schwiegervaters Erich Baumann, der über lange Jahre die Gmoi zu Heidelberg leitete und mit seiner Musikalität die Veranstaltungssäle nicht nur dort sondern in Marktredwitz und auch bei den Heimatkreistreffen in Weiden, der Patenstadt der Tachauer, füllte. Unvergessen wie er mit dem Geigenspielen intonierte und mit dem Geigenbogen den ganzen Saal dirigierend zum Singen brachte. Eindrucksvoll waren auch die eingespielten Tonaufnahmen.

Im Anschluß begeisterte die erst 22jährige Andrea Reichl in dem Vortrag: “Die Heimatstube Prachatitz-Niemes in Ingolstadt – Warum arbeitet eine junge Frau in einer Heimatstube mit?” die Anwesenden. Sie zeigte, wie Menschen der heutigen Generation denken und fühlen. Verbunden der Stadt Prag, wo die Großmutter lebte, fand die Studentin dann auch Zugang zur Region, zu Niemes. In die Heimatstube in Ingolstadt können junge Bürger aus dem heutigen Niemes eingeladen werden, um ihnen das Leben der ehemaligen deutschen Bevölkerung von Niemes zu zeigen. Schüleraustausch ist das Thema. Man sieht, daß jung und alt sich in den Sudetendeutschen Sammlungen zusammenfinden müssen, um eine Zukunft gestalten und garantieren zu können.

Das wurde auch im abschließenden Vortrag von Christina Dieterichs, der Führerin der EJ und stellvertretenden Bundeskulturwartin, klar. Sie zeigte auf, wo in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg Egerlanda Gmoin in den letzten 10 Jahren verschwunden sind. Dort, wo man auf den Aufbau einer Jugendgruppe verzichtet, hat eine Gmoi plötzlich keine Zukunft mehr, keine jungen Mitglieder und muß sich auflösen. Ohne den Aufbau einer Jugendgruppe gibt sich eine Gmoi selbst auf. Aber es wurden auch noch andere Wege zum Erhalt einer Gmoi diskutiert. Immer ist nach individuellen Lösungen zu suchen, um eine Gmoi so lange wie möglich zu erhalten.

Daß auch am Sonntag noch so viele Teilnehmer geblieben waren, beweist, daß die richtige Programmwahl getroffen worden ist. Dr. Wolf-Dieter Hamperl bedankte sich bei allen für ihr Kommen und lud schon zur nächsten Kulturtagung ein. Dankend sei auch das Sponsoring durch das bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen erwähnt, da ohne dieses so eine große Veranstaltung nicht mehr durchgeführt werden kann.

Text: Dr. Wolf-Dieter Hamperl,
Fotos: Erich Wetzka