Das 61. Vinzenzifest und das 38. Egerländer Landestreffen standen unter einem guten Stern.
Vereine und Partnerschaftskomitees zeigten ihre Gastfreundschaft
Unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand vom 25. bis 26. August 2012 zum 61. Mal das Vinzenzifest in Verbindung mit dem 38. Egerländer Landestreffen in Wendlingen statt. Trotz Wetterkapriolen zog das Erntedank- und Trachtenfest die Besucher besonders am Sonntag zum traditionellen Festumzug und zum Vinzenzimarkt an.
Abgefallen war die Anspannung der vergangenen Wochen, die letzten Vorbereitungen erledigt, in freudiger Erwartung auf das bevorstehende Vinzenzifest, das am späten Samstagnachmittag endlich losging. Wendlingen war gerüstet. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des Bauhofs, die Vereine mit den Partnerschaftskomitees, sie alle haben an einem gemeinsamen Strang gezogen – und der heißt Vinzenzifest. Zur Eröffnung vor dem Rathaus schien sogar die Sonne, mit ein paar Windböen, und mit dem Segen der Kirche durch das Einläuten zum Sonntag konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Begrüßen konnte Bürgermeister Steffen Weigel vor dem Rathaus Gäste von nah und fern. Besonders freute er sich über den Bürgermeister von Eger (Cheb), Michal Pospisil, der in seiner Rede die Grüße des Cheber Oberbürgermeisters überbrachte. Ursprünglich als Erntedankfest gegründet, später zum Trachten- und Brauchtumsfest erweitert und vor wenigen Jahren um die Facette der tatkräftigen Unterstützung der örtlichen Vereine ergänzt, hat das Fest in diesem Jahr eine weitere Dimension hinzubekommen. Darauf ging Weigel ein, als er von der “europäischen Integration“ sprach und auf den Empfang der Stadt am Sonntag hinwies. Horst Rödl, Vorsteher der Gmoi Wendlingen, führte routiniert durchs Programm und bedankte sich beim Bürgermeister für dessen Unterstützung gleich nach seiner Wahl und die “neuen Ideen“, die er zum Vinzenzifest einbrachte. Sein Dank galt ebenso der Stadtverwaltung, vor allem Bernhard Laderer, Joachim Vöhringer, Kristina Kappeis und Elke Höppner, sowie den vielen weiteren Helfern. Zuvor hatte Bürgermeister Weigel sein ausdrückliches Lob an die Vereine für ihre “maßgebliche Beteiligung“ am Vinzenzifest ausgesprochen, insbesondere an Lothar Schindler, der als Koordinator zwischen Verwaltung und Vereinen fungierte.
Harald Wenig, Landesvorsteher des Landesverbands der Egerländer Gmoin, eröffnete anschließend das 38. Egerländer Landestreffen und die Ausstellung mit Plakaten und Grafiken des Künstlers Hans A. Kuttner im Rathaus. Es folgten Grußworte von Reinhold Frank, dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbands der Heimat- und Trachtenverbände, von Alfred Baumgartner, Bundesvorsteher des Bundes der Egerländer Gmoin, von Marianne Hinderbrandner, der Ersten Vorsitzenden des Altbayerisch-Schwäbischen Gauverbands. Sie alle hoben das friedliche und freundschaftliche Zusammentreffen beim Vinzenzifest hervor. Die Tanzgruppe der Egerländer Gmoi Wendlingen, die Jugendtanzgruppe der Banater Schwaben, der Trachtenverein Kirchheim und die Gaugruppe des Südwestdeutschen Gauverbands der Heimat- und Trachtenvereine umrahmten mit traditionellen Tänzen und Schuhplattlern das Programm. Es spielten “D‘LauterBläser”, die auch später die Gäste weiterunterhielten. Am Abend rockten “The Gents” auf dem Marktplatz, was das Zeug hielt.
Erstmals seit zwei Jahren gab die Stadt Wendlingen wieder einen Empfang anläßlich des Vinzenzifestes. Im Treffpunkt Stadtmitte versammelte sich am Sonntagmorgen eine große Gästeschar, darunter Abgeordnete des Bundestags, Landtags, Regionalparlaments und Kreisrats sowie Vertreter des Gemeinderats, des Bundes-und Landesverbands der Egerländer und der Heimat- und Trachtenvereine.
Bürgermeister Steffen Weigel nutzte den Empfang, um sich bei den Egerländer Gmoin “für die immer gute Zusammenarbeit” zu bedanken. Mit dem Empfang habe die Stadt Wendlingen die Gelegenheit, dem Fest einen “etwas anderen, noch stärkeren auf Europa ausgerichteten Aspekt zu seiner langen Tradition hinzuzufügen”, erläuterte er die Neuerung, die auch bei Gmoivorsteher Horst Rödl und Landesvorsteher Harald Wenig sofort auf fruchtbaren Boden gestoßen sei. Damit bekräftigte er nochmals, daß das Fest “nur als Gemeinschaftsfest der Stadt, der Vereine und der Egerländer denkbar” sei.
Weigel bezeichnete das Vinzenzifest als ,,ein politisches“ wie auch als ein “Fest der Versöhnung”. Damit habe das Fest seit seiner ersten Ausrichtung in Wendlingen vor über 60 Jahren schon immer an das Leid und Unrecht der Heimatvertriebenen erinnert, genauso wie an den Frieden, den die Vertriebenen mit der politischen Situation gemacht hätten, was mit der Charta der Vertriebenen 1950 unterzeichnet worden sei. Ebenso hätten sie von Anfang an den Dialog mit der Stadt Cheb (Eger) in Tschechien gesucht. In diesem Zusammenhang dankte er den Vertretern der Stadt Cheb für ihre Dialogbereitschaft und Freundschaft zu Wendlingen und den Egerländern.
Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Krise dieser Tage und Wochen werde es umso bedeutender, daß “Frieden und Freiheit in Europa weit mehr als 60 Jahre lang einmalig in der Geschichte dieses Kontinents sind”, und gerade weil wir “in einer Gemeinschaft miteinander und nicht in Konkurrenz zueinander leben”, sagte Bürgermeister Weigel und weiter: “Das, was unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht hat, konnte es nur auf dieser Basis und mit der Sicherheit im Rücken erreichen”, so Weigel mit Blick auf den in letzter Zeit immer wieder vergessenen Kern der europäischen Integration.
Landrat Heinz Eininger sieht im Wendlinger Vinzenzifest ebenfalls eine Parallele zur europäischen Integration. Er hob in seinem Grußwort besonders das Engagement der Vereine, Partnerschaftskomitees und Egerländer hervor, was in den letzten Jahren dazu beigetragen habe, daß das Heimat- und Trachtenfest auch ein Fest der Wendlinger geworden sei. “Es ist ein Fest der Begegnung und Kultur, ein Zeichen lebendiger Gemeinschaft”, sagte Eininger und erinnerte daran, daß es die Vertriebenen waren, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Charta zur Schaffung eines geeinigten Europas unterzeichnet hatten.
Heute sei Friede und Wohlstand schon eine Selbstverständlichkeit geworden, so der Landrat weiter, doch wir müßten uns immer wieder daran erinnern, was dazu beigetragen habe. “Europa braucht uns, und wir Europa mehr denn je”, mahnte Eininger. “Wir habe nur gemeinsam als Europäer eine Chance.”
Trotz Finanzkrise und Schulden dürften wir die Ideale nicht vergessen, die uns die Egerländer mit auf den Weg gegeben haben. “Die Egerländer können ein Beispiel für uns sein“, so Eininger, Tradition zu bewahren, gleichzeitig zur Versöhnung beizutragen und sich in der neuen Heimat zu engagieren.
Alfred Baumgartner, Bundesvorsteher des Bundes der Egerländer Gmoin‘ begrüßte die Integration der Egerländer in das Fest und ihre Beteiligung bei der Organisation, auch in der Gewißheit, daß das Brauchtum bewahrt und gepflegt werde.
Nachdem der Erste Vorsitzende des Landesverbandes der Heimat- und Trachtenverbände Baden-Württemberg, Gottfried Rohrer, sein Grußwort gesprochen hatte, ergriff der Bürgermeister von Cheb, Michal Pospisil, das Wort. Auch diesmal berichtete er gerne von den Ereignissen, die sich im vergangenen Jahr in Cheb zugetragen haben wie die 950-Jahr-Feier, die feierliche Eröffnung eines neuen Kulturhauses, die Einweihung einer Kriegsgräberstätte für deutsche Kriegstote, oder über die in 2013 anstehende kleine Gartenschau, zu der er jetzt schon einlud. Bürgermeister Weigel nahm diese Einladung gerne an und sieht darin die Chance, einen Wendlinger Tag zu gestalten, unter Beteiligung der Egerländer.
Dann war die eigentliche “Vinzenzirede” an der Reihe, von Rainer Wieland, Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Der Gerlinger stellte seine Rede unter den Aspekt “Europa – Denkpause am Scheideweg”. Doch zunächst gab es ein Lob für die Stadt Wendlingen und die Egerländer. Wieland zeigte sich erfreut, daß sie den Weg gemeinsam beschritten haben, das Vinzenzifest auf neue Beine zu stellen. Tradition bedeute nicht, Asche zu bewahren, sondern die Glut am Leben zu halten, sagte er.
Wieland rief in seiner sehr engagiert gehaltenen Rede zu mehr Selbstkritik und mehr Besonnenheit auf und zum sorgsameren Umgang mit dem Thema Europa und Griechenland, damit meinte er auch die Politiker. “Wir müssen mit einer Zunge sprechen – Europa, Deutschland und die Bundesländer, und wir müssen uns in die Lage der anderen besser hineinversetzen.” Jedes Land in Europa habe seinen Platz auf der Landkarte und im Geschichtsbuch. Danach sollten wir handeln. Besonders wenn es um die Hilfe um Griechenland gehe. Wieland dazu: “Solidarität hat eine Zwillingsschwester, nämlich die Solidität.“ Wenn ernsthafte Umsetzungsbemühungen Griechenlands vorhanden seien, dann komme es auch nicht auf einige Jahre mehr an.
Starker Beifall markierte das Ende seiner Ansprache, bevor die Egerländer Dudelsackmusik Bojatz nochmals zum Ausklang des städtischen Empfangs aufspielte und Rainer Wieland sich ins Goldene Buch der Stadt Wendlingen eintrug.
Draußen wurde der Sonntag eingeläutet durch die Vinzenziprozession und die anschließend gut besuchte Eucharistiefeier auf dem Marktplatz, die von Dekan Paul Magino, Vikar Wolfgang Metz und Pfarrer i. R. Wolfgang Gottstein zelebriert wurde. Der Weg des Lebens, den jeder für sich geht, stand hier im Mittelpunkt der Feier. Wo wollen wir hin und wem wollen wir folgen waren dabei die zentralen Fragen. Begleitet wurde der Gottesdienst vom Kirchenchor St. Kolumban und dem Musikverein Unterboihingen, der anschließend beim Frühschoppen unterhielt. Zum Festausklang am Abend spielte der Musikverein Wendlingen.
Die Tanzgruppe der Egerländer Gmoi Wendlingen erfreute mit ihren Tänzen.
Gaby Kiedaisch